Mehrwertsteuer / Umsatzsteuer - Senkung der Steuersätze
Mehrwertsteuersenkung für die Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020: Ein Thema, das insbesondere für Unternehmer viele Fragen aufwirft. Wir möchten Ihnen auf dieser Antworten, Tipps und Informationen geben. Unser Ziel ist es, Sie dabei zu unterstützen, die temporäre Umstellung der Umsatzsteuer möglichst gut zu bewältigen. Schauen Sie immer mal wieder rein. Wir versuchen, die Inhalte ständig zu erweitern und zu verbessern: Durch ergänzende Texte, Links, Downloads und Videos.
Autoren: Nicole Mentel und Michael Repschläger
Datum: Letzte Überarbeitung am 07.05.2021 (keine inhaltlichen Änderungen)
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- Lesezeit: 9 Minuten
Inhalt
- Basics zur Umsatzsteuer und zur Senkung der Steuersätze
- Weiteres zur Umsatzsteuer und der befristeten Steuersatzsenkung
- Worauf müssen Unternehmer achten, um den richtigen Steuersatz anzuwenden?
- Wann ist eine Leistung ausgeführt?
- Was ist eine Teilleistung?
- Was passiert, wenn auf einer Rechnung ein falscher Steuersatz angegeben wird?
- Vereinfachungsregelung des BMF für Leistungen im Juli mit zu hohem Steuerausweis
- Worauf müssen Unternehmer in Zeiten der Steuersatzsenkung grundsätzlich besonders achten?
- Videos, Downloads, weitergehende Informationen
Basics zur Umsatzsteuer und zur Senkung der Steuersätze
Worum es auf dieser Seite geht
Die Regierungskoalition hat am 03.06.2020 verkündet, zwei Umsatzsteuersätze – befristet für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 – zu senken. Die Umsetzung dieser Maßnahme geschieht im Rahmen des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes, das Bestandteil eines umfangreichen Konjunkturpaketes ist. Bundestag und Bundesrat stimmten dem am 29.06.2020 zu, eine Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 30.06.2020. Somit konnte die Senkung der Steuersätze pünktlich zum 01.07.2020 in Kraft treten. Die Finanzverwaltung legte zunächst drei Entwürfe eines Anwendungsschreibens vor, das endgültige BMF-Schreiben vom 30.06.2020 haben wir weiter unten im Bereich Weitergehende Informationen, Links für Sie verlinkt. Dort finden Sie übrigens auch das ergänzende Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 04.11.2020, mit weiteren Hinweisen und Vereinfachungsregelungen.
Auf einer gesonderten Seite von uns finden Sie Informationen zur Rückkehr zu den alten Steuersätzen ab 2020.
Allgemeines zur Umsatzsteuer
Das heutige System der Umsatzsteuer, die häufig umgangssprachlich auch als Mehrwertsteuer bezeichnet wird, wurde zum 01.01.1968 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Die Steuer hat zum Ziel, den Endverbrauch von Lieferungen und sonstigen Leistungen zu belasten. Zur Erreichung dieses Ziels und zur Sicherung des Steueraufkommens wird die Steuer auf dem gesamten Weg einer Leistung über alle Umsatzstufen hinweg auf den verschiedenen Unternehmensebenen hinweg erhoben.
Das grundsätzliche Prinzip der Umsatzsteuer ist einfach: Ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer kauft Leistungen von anderen Unternehmern ein, die ihrerseits die Warenwerte mit Umsatzsteuer belasten, die sie an das Finanzamt abzuführen haben. Der unternehmerische Leistungsempfänger kann die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer seinerseits als sog. Vorsteuer von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld abziehen.
Somit zielt die Umsatzsteuer im Kern darauf ab, auf Unternehmensebene neutral zu sein und dort keinen Einfluss auf die Kalkulation auszuüben.
Letztendlich zu tragen ist die Umsatzsteuer vom Endverbraucher.
Welche Steuersätze werden geändert?
Der Regelsteuersatz von 19% wird auf 16% gesenkt, der ermäßigte Steuersatz von 7% wird auf 5% gesenkt.
Für welchen Zeitraum gilt die Senkung der Umsatzsteuersätze / Mehrwertsteuersätze?
Die Regelung gilt für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020. Ab dem 01.01.2021 sollen wieder die bisherigen Steuersätze von 19% bzw. 7% gelten.
Was macht die Umsatzsteuersenkung / Mehrwertsteuersenkung einmalig?
Bei der Änderung der Umsatzsteuersätze zum 01.07.2020 handelt es sich um einen bisher einmaligen Vorgang, da es seit der Einführung des Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzugsberechtigung noch nie zu einer Absenkung des Umsatzsteuersatzes kam. Hinzu kommt der Aspekt, dass es sich bei der Änderung um eine Maßnahme mit lediglich temporären Charakter handelt.
Weiteres zur Umsatzsteuer und der befristeten Steuersatzsenkung
Worauf müssen Unternehmer achten, um den richtigen Steuersatz anzuwenden?
Entscheidend für den Steuersatz ist, wann Sie Ihre Leistung ausführen (bzw. wann diese nach dem Gesetz als ausgeführt gilt).
Es ist unerheblich, wann Sie eine Rechnung für die erbrachte Leistung schreiben. Unwichtig ist für die Anwendung des Steuersatzes auch, wann Sie eine Zahlung Ihres Kunden erhalten, also wann Geld fließt.
Ferner ist es egal, ob Sie als Unternehmer Ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) oder nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung) versteuern.
Wann ist eine Leistung ausgeführt?
An dieser Stelle möchten wir auf Grundsätze eingehen.
Grundsätzlich kommt es darauf an, ob es sich bei einer Leistung um eine Lieferung oder um eine Sonstige Leistung handelt.
- Was ist eine Lieferung?
Wenn Sie eine Lieferung ausführen, verschaffen Sie Ihrem Kunden die Verfügungsmacht an einem Gegenstand. Vereinfacht könnte man auch sagen, dass es sich bei einer Lieferung um den Verkauf von Waren handelt. Im einfachsten Fall ist eine Lieferung ausgeführt, wenn Ihr Kunde über den Gegenstand der Lieferung verfügen kann. Wenn der Gegenstand befördert oder versendet wird, ist dies in dem Zeitpunkt, in dem die Beförderung oder Versendung beginnt. Werklieferungen sind regelmäßig ausgeführt, wenn ihre Abnahme erfolgt. - Was ist eine Sonstige Leistung?
Wenn Sie eine Sonstige Leistung ausführen, erbringen Sie eine Leistung, bei der es sich nicht um eine Lieferung handelt. Üblicherweise handelt es sich dabei um Dienstleistungen. Aber auch das Dulden (z.B. bei Vermietungen) und das Unterlassen kann eine Sonstige Leistung darstellen. Eine Sonstige Leistung wird vom Grundsatz her im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Dies gilt auch für Werkleistungen.
Die Leistung einer zeitlich begrenzten Dauerleistung ist mit dem Ende des Leistungsabschnitts ausgeführt, wenn keine sog. Teilleistungen vorliegen. Beispiele hierfür sind Jahreskarten, Abonnements und Saisonkarten.
Was ist eine Teilleistung?
Damit eine Teilleistung vorliegen kann, müssen kumulativ zwei Bedingungen erfüllt sein:
- Es muss eine wirtschaftlich sinnvoll abgrenzbare Leistung vorliegen.
- Über die Ausführung dieser Leistung als Teilleistungen muss eine Vereinbarung vorliegen.
Allseits bekannt sind Teilleistungen bei Mietverträgen und Leasingverträgen.
Was passiert, wenn auf einer Rechnung ein falscher Steuersatz angegeben wird?
Hierbei sollten sich prinzipiell zwei Fälle unterscheiden lassen.
Im ersten Fall wird ein zu hoher Umsatzsteuersatz auf einer Rechnung ausgewiesen (bspw. 19% anstatt 16%):
Für den leistenden Unternehmer hat dies zur Konsequenz, dass er dem Finanzamt die Umsatzsteuer genau in der Höhe schuldet, in der er sie auf der Rechnung ausgewiesen hat. Er zahlt also zuviel Umsatzsteuer. Der Leistungsempfänger darf sich allerdings lediglich den nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldeten Steuerbetrag, also den aus dem Bruttobetrag herauszurechnenden korrekten Betrag als Vorsteuer ziehen. Sofern er die Rechnung bezahlt, entsteht auf seiner Seite eine ungerechtfertigte Liquiditätsbelastung. Ferner dürfte zu berücksichtigen sein, dass die erhöhte Belastung den Effekt hat, dass die Kalkulation des Käufers für seine eigenen Produkte nicht mehr stimmt. Schließlich kauft er zu teuer ein.
Nachfolgend soll das Ganze anhand von Zahlen noch etwas verdeutlicht werden.
Unternehmer U schreibt eine Rechnung an seinen zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden K über Ware im Wert von netto 100 EUR. In der Rechnung weist U fälschlicherweise 19% Umsatzsteuer aus (19 EUR). Er kommt in der Rechnung auf einen Brutto-Gesamtbetrag von 119 EUR. Richtig wäre eine Rechnung über 100 EUR netto zzgl. 16% Umsatzsteuer (16 EUR), also brutto 116 EUR gewesen.
U schuldet dem Finanzamt die ausgewiesene Umsatzsteuer von 19 EUR. K hingegen darf sich lediglich (119 EUR X 16 : 116 =) 16,41 EUR aus dieser Rechnung als Vorsteuer ziehen.
Im zweiten Fall wird ein zu niedriger Umsatzsteuersatz auf einer Rechnung ausgewiesen (bspw. 16% anstatt 19%):
Der leistende Unternehmer hat nun das Problem, dass er dem Finanzamt die Umsatzsteuer nicht nur in der Höhe schuldet, in der er sie auf der Rechnung ausgewiesen hat. Vielmehr muss er die Steuer mit dem gesetzlich korrekten Steuersatz aus dem Bruttobetrag herausrechnen. Der Leistungsempfänger darf sich allerdings lediglich den auf der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag als Vorsteuer ziehen.
Der zweite Fall als Zahlenbeispiel:
Unternehmer U schreibt eine Rechnung an seinen zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden K über Ware im Wert von netto 100 EUR. In der Rechnung weist U fälschlicherweise 16% Umsatzsteuer aus (16 EUR). Er kommt in der Rechnung auf einen Brutto-Gesamtbetrag von 116 EUR. Richtig wäre eine Rechnung über 100 EUR netto zzgl. 19% Umsatzsteuer (19 EUR), also brutto 119 EUR gewesen.
U schuldet dem Finanzamt die Umsatzsteuer in Höhe von (116 EUR X 19 : 119 =) 18,52 EUR. Auffällig ist, dass der Ertrag des U aus diesem Geschäft geringer ist, als wohl von ihm zuvor gedacht.
K kann sich aus dieser Rechnung lediglich den ausgewiesenen Steuerbetrag von 16 EUR als Vorsteuer ziehen.
In beiden Fällen ist es möglich, die falschen Rechnungen zu berichtigen. Dies ist jedoch mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden.
Vereinfachungsregelung des BMF für Leistungen im Juli mit zu hohem Steuerausweis
Für Leistungen, die ein Unternehmer im Juli 2020 gegenüber einem anderen Unternehmer, der zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ausführt und fälschlicherweise mit einem zu hohen Steuersatz abrechnet (19% anstatt richtigerweise 16% bzw. 7% anstatt richtigerweise 5%) gibt es eine Vereinfachungsregelung des Bundesministeriums der Finanzen. In Randziffer 46 des weiter unten auf dieser Seite abrufbaren BMF-Schreibens wird dem Leistungsempfänger in derartigen Fällen die Möglichkeit eröffnet, den zu hohen Steuerbetrag als Vorsteuer geltend zu machen, wenn der leistende Unternehmer diesen auch an das Finanzamt abgeführt hat.
Worauf müssen Unternehmer in Zeiten der Steuersatzsenkung grundsätzlich besonders achten?
Für alle, die Rechnungen schreiben:
Schreiben Sie Ihre Ausgangsrechnungen richtig! Dieser Ratschlag mag Ihnen vielleicht merkwürdig vorkommen. Aber bedenken Sie: Erst durch eine intensive Überprüfung des Leistungsdatums werden Sie in die Lage versetzt, wirklich den korrekten Mehrwertsteuersatz anzuwenden. Wenn alles stimmt, werden Sie im zweiten Halbjahr 2020 (und vielleicht darüber hinaus) weniger Rückfragen Ihrer Kunden haben. Der Effekt sollte klar sein: Glückliche Kunden, weniger Papierkram für Sie.
Für alle, die Rechnungen von anderen Unternehmern erhalten:
Überprüfen Sie jede einzelne Eingangsrechnung intensiv hinsichtlich Leistungsdatum und Steuersatz. Für eine vernünftige Prüfung benötigen Sie oftmals die dazugehörigen Lieferscheine.
Wenn Sie eine Rechnung mit einem falschen Leistungsdatum bzw. einem falschen Mehrwertsteuersatz vor sich haben, kontaktieren Sie Ihren Lieferanten und verlangen Sie eine entsprechende Rechnungskorrektur von ihm.
Dies sollten Sie natürlich auch tun, wenn Sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. Schließlich wird ggf. Ihre Liquidität durch zuviel Umsatzsteuer belastet.
Sofern sich das Problem mit den fehlerhaften Rechnungen ab dem 01.07.2020 zu einem Massenphänomen entwickelt, haben wir einen Vorschlag für Sie: Schicken Sie die fehlerhaften Rechnungen, nachdem Sie eine Kopie für Ihre Akten gezogen haben, mit einem Beiblatt zurück an Ihre Lieferanten. Aus dem Beiblatt geht hervor, warum die Rechnungen fehlerhaft waren und dass Sie sie erst nach Korrektur bezahlen werden. Vielleicht hilft diese erzieherische Maßnahme.
Entsprechende Links zu Checklisten für die Rechnungsprüfung und zum oben erwähnten Beiblatt finden Sie weiter unten.
Auf einer separaten Seite gehen wir ausführlich darauf ein, was Sie in Verbindung mit Abschlägen und Schlussrechnungen zu beachten haben.
Die Umsatzsteuer hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer der komplexesten Steuerarten entwickelt. Die temporäre Umsatzsteuersenkung trägt einen weiteren Teil hierzu bei. Deshalb können wir Ihnen zusammenfassend nur den Rat geben, bei Unklarheiten in umsatzsteuerlichen Angelegenheiten unbedingt die Dienste einer professionellen Steuerberatung in Anspruch zu nehmen. Hierdurch ersparen Sie sich ggf. viel Ärger.
Videos, Downloads, weitergehende Informationen
Youtube
Wir stellen Ihnen auf unserem neuen Youtube-Kanal Videos zur Verfügung, in den wir versuchen, die Senkung der Umsatzsteuersätze und ihre Auswirkungen greifbarer zu machen. Schauen Sie mal rein. Es sollen noch einige Videos hinzukommen.
Inhalte von Video #1:
- Welcher Steuersatz gilt wann?
- Worauf müssen Unternehmer achten, damit Sie den richtigen Steuersatz anwenden?
- Was passiert, wenn auf einer Rechnung ein falscher Steuersatz steht?
- Anzahlungen – Was ist zu beachten?
- Zusammenfassung / Das Wichtigste auf einen Blick
Unsere Kurzanleitung zu Auftragswesen online:
In unserem Video erfahren Sie, wie Sie ganz leicht selbst neue Steuersätze in der beliebten Cloud-Anwendung anlegen.
Downloads
Checklisten können helfen, den Überblick zu behalten, Vorlagen vereinfachen Prozesse.
Bitte beachten Sie: Die Nutzung der Downloads unterliegt Ihrer eigenen Verantwortung. Jegliche Haftung wird ausgeschlossen!
Weitergehende Informationen, Links
- Endgültiges BMF-Schreiben zur befristeten Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Umsatzsteuersatzes zum 1. Juli 2020 (PDF)
auf der Website des Bundesministerium der Finanzen - FAQ-Liste des Bundesministeriums der Finanzen zur befristeten Senkung der Umsatzsteuer
- Ergänzendes BMF-Schreiben zur befristeten Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Umsatzsteuersatzes zum 1. Juli 2020 (PDF) vom 04. November 2020 auf der Website des Bundesministerium der Finanzen